Es ist wohl eher ungewöhnlich, wenn ein 75 jähriger pensionierter Internist einen Blog einrichtet, um über Kommunalpolitik eines kleinen Seebades zu schreiben. Aber Herausforderungen auszuweichen, war meine Sache nie.
Hohwacht kenne ich seit meiner Jugend und die Wahl für den letzten Wohnsitz an der See fiel gegen die Möglichkeit, das Haus des Vaters in Travemünde zu beziehen. Zu sehr hatte sich der Ort verändert, Hohwacht hingegen bot die gewünschte Ruhe und Beschaulichkeit.
Wenn ich meinen Lebenslauf betrachte, fällt mir auf, wie sehr sich Möglichkeiten und Anforderungen mit dem Wechsel der Generationen verändert haben.
Heute zählt ein 33jähriger noch zur Jugend, die sich ausprobiert und vielleicht den ersten von zukünftigen Berufen ergriffen hat. Ich war mit 33 Jahren bereits Oberarzt gewesen und in Ahrensburg niedergelassener Facharzt mit einer großen von einem verstorbenen Kollegen übernommenen Praxis, 4 Angestellten und einem Berg von Betriebsschulden an der Backe.
Zur Versorgung der Patienten kam im Alter von 50 Jahren und im Lauf von wenigen Monaten die Tätigkeit in den Vorständen von zwei Berufsverbänden auf Bundesebene dazu, die Leitung eines Landesverbandes, Wahl in ein Ärzteparlament, und damit einhergehend Begegnungen mit der Landes- und Bundespolitik vom Leitenden Medizinalbeamten bis zum Minister. Je höher die Ebene, desto mehr stieß ich nicht auf Ärzte, sondern auf Juristen, deren Denken und Papieren („Lesen lernen“) ich mich anpassen musste. Wenn auch die Ärzte von einer Entfremdung ihrer Arbeit reden, sind einige der Ursachen im Regelwerk des Gesundheitswesens zu suchen.
Mit 56 Jahren entschloss ich mich dann, nachzuholen, was ich in der Jugend versäumt hatte. Das Hobby, die Segelei, auch der winterliche Skilanglauf bekamen mehr Raum, vor allem aber ein breit angelegtes Seniorenstudium mit Schwerpunkt auf der Kunst und Architektur. Dem „Sehen lernen“ folgte auch bald das „Hören lernen“ (Musik), dazu gehörigen Reisen mit den Freunden der Hamburger Kunsthalle und Studiosus.
Leider verstarb meine Ehefrau schon nach wenigen Jahren und eine vergleichbare Zweisamkeit war mir nicht vergönnt.
Ich könnte gut ohne die bescheidene publizistische Beteiligung an der Kommunalpolitik leben. Vielleicht ist es meinem Versäumnis zuzuschreiben, an der 68er Bewegung teil zu nehmen, das ich nunmehr im Alter zu manchen Dingen nicht schweigen kann.