Jürgen Schmidt, Hohwacht, Erste Fassung Juli 2016, Kürzung und Überarbeitung Oktober 2017 und März, sowie April 2018
Wer durch Hohwacht geht, wird zum Ortsbild gemischte Gefühle entwickeln. Nette Einfamilienhäuser an der Promenade, ärmlich wirkende Vor- und Nachkriegsbauten anderenorts, organisch gewachsene Straßen mit großen Gärten, vereinzelt reetgedeckte Schmuckstücke, kaum Reetdachkitsch und neuerdings – noch vereinzelt, aber um so auffälliger – dicht gedrängte Reihenhäuser mit einigen Grashalmen vor der Terrasse.
Zwischen zwei Schießplätzen gelegen, blieb der Massenzustrom in Hohwacht aus und damit auch die ungünstige Entwicklung, die so mancher Badeort an der Ostsee genommen hat. Neuerdings hört man jedoch immer weniger Kanonendonner von der Bundeswehr, dafür immer mehr lautstarken Bürgerprotest gegen die Baupolitik der Gemeindevertretung.
Dergleichen fand in Hohwacht bis zur letzten Kommunalwahl allenfalls „unter der Bettdecke“ statt, denn eine mächtige Wählergemeinschaft hatte es sich auf die Fahne geschrieben, Neubauten zu begrenzen, sensible Bereiche zu schützen und das Ortsbild zu bewahren.
Dann kam die Niedrigzinsphase, Befürchtungen steigender Inflation, der Gedanke, ins Betongold zu flüchten, die Renaissance der Ostseebäder durch die Rückkehr der Türkeiurlauber an die Ostsee.
Mit einem Mehrheitswechsel und mit einem Bürgermeister, der bereit war, Investitionen baupolitisch zu fördern, die sich als Maximalausnutzung vorhandener Grundstücke erwiesen, begann es, daß sich Neubauten nicht mehr in das Ortsbild einfügten Die in einer ruhigen Straße mit Einfamilienhäusern und großen Gärten entstandenen 24 Wohneinheiten auf einem ehemaligen Einfamilienhausgrundstück haben das Straßenbild massiv verändert und das Verkehrsaufkommen dort nahezu verdoppelt.
Man kann durchaus einwenden, dass es in Hohwacht Sanierungs- und Renovierungsversäumnisse gibt, so dass Urlauber sich teilweise einem unbefriedigende Angebot gegenüber sehen und Investoren angelockt werden. Dieser Befund führt zu Kurzschlüssen, weil übersehen wird , dass die aktuelle baupolitisch favorisierte Maximalbebauung das Ortsbild und damit auch die gewachsene Attraktivität zerstört, die Urlauber mit Beschaulichkeit, Unaufgeregtheit, Entschleunigung beschreiben und damit auch meinen, dass sie den unprätentiösen Charakter des Ortes schätzen. Dieser wäre nur zu bewahren, wenn ein organisches Wachstum baupolitisch gegen im Straßenbild monströs wirkende Maximalbauten gerichtet würde. Eben dies wäre nur durch eine radikale Abkehr von der gegenwärtigen Baupolitik möglich, d.h. Geschossflächenzahl und Firsthöhe runter setzen, Baufenster begrenzen, mithin Bebauungspläne, die Gästesilos verhindern und zu Sanierung und begrenzten Aus- oder Anbau bestehender Einheiten führen. Hilfreich wäre eine Tätigkeit des Bauausschusses, die sich nicht auf das kleinste Karo stürzt und Abweichung der Dachneigung von 3 % abstraft, sondern sich mit ästhetischen Kriterien und Proportionskunde kleiner Häuser beschäftigt.
Stattdessen wirkt ein Mechanismus, der aus anderen Ferienorten hinlänglich bekannt ist. Die Kleinanbieter, die gewohnt sind, ihre Investitionen mit Eigenkapital zu bestreiten ( und von den Kreditinstituten auch nicht geschätzt werden ) , leiden seit vielen Jahren unter einem Verfall der Rentabiltät und geben auf – nicht zuletzt angesichts günstiger Mieten in Neubauten – . Dem steht der Run auf vermeintliches Betongold in Form einer Wohnung an der Küste gegenüber, der vom „Markt“ und der Baupolitik gefördert wird, letztlich aber die Spekulation der Käuufer nicht erfüllt. Wie professionelle Vermietungsbüros berichten, sehen die Vermieter am Jahresende ganz erstaunt, dass sie ihre Finanzierung nicht durch Mieteinnahmen verdienen konnten.
Weil komplette Sanierungen Im Bestand im Übrigen oft noch teurer sind, als Neubauten entsteht ein Verdrängungs- und in der Folge ein Verteilungswettbewerb. Die Fälle, in denen potentielle Bauherren von Ein- oder Zweifamillienhäusern dem konkurrierenden Angebot von Bauträgern nicht standgehalten haben , die eine Maximalausnutzung der Grundstücke anstreben, sind vielfach Ortsgespräch.
Das Ergebnis liegt vor aller Augen!
Ruhe, Beschaulichkeit, kleinteiliges Ortsbild, Hohwacht als Unikat an der Ostsee, das war einmal!
Natürlich hätte man diese Entwicklung durch eine Veränderungssperre und einen Bebauungsplan verhindern können, wenn man denn gewollt hätte.
Weil selbst die geringste Korrekturbereitschaft der Gemeinde – angeblich aus Geldmangel – ausblieb, bildete sich im Bereich Waldstraße/Reiherstieg, wo der erste Bau einer Selenter Baufirma entstand, eine heftige Opposition, die ihren Unmut über Flugblätter, einen Blog und schließlich eine Klage gegen die Baugenehmigung in aller Deutlichkeit vortrug. Zu einem Zeitpunkt, als die Fronten zwischen den Befürwortern einer „den Tourismus fördernden Bebauung“ und jenen, die eine Zerstörung des Ortsbildes abwehren wollten, noch keineswegs verfestigt waren, trugen ein polemischer Blog und ein ebensolches Flugblatt zu einer Polarisierung der Meinungsbildung bei. Unglücklicherweise wurde anstelle der Baupolitik, die auf Maximalausnutzung gerichtet war eine Firma ins Visier genommen, die auf der vorhandenen Basis nicht nur den auslösenden, sondern weitere Bauaufträge ausführte, die buchstäblich wie die Faust auf das Auge des Betrachters wirkten.
Der ehemalige Blog der Bürgerinitiative schlug den Sack und meinte den Esel. Die Auseinandersetzung wurde mit zwei sich fundamental unterscheidenden Argumentationslinien betrieben, die eine, insbesondere von meiner Seite, setzte mehr auf Argumente, die andere auf wiederholte Sticheleien. Der Zusammenhalt in der Widerstandsgruppe war ohnehin gering.
Den Gipfel der Empörung erreichte die Baupolitik mit den entschlossenen, gleichwohl mehr als zweideutigen Schritten der Gemeinde, die Küstenbebauung am Dünenweg mit einem B-Plan in Gang zu setzen und das touristische Angebot durch ein Gesundheitszentrum zu ergänzen. Diese Vorgänge sind in dem Beitrag „B-Plan Nr 20, Dünenweg, gültig oder nichtig“ auch in den rechtlichen Details, sowie der sich anschließenden Korrespondenz ausführlich geschildert. (siehe auch „Quo vadis Hohwacht?“ „Gesundheitszentrum“ und „Blockheizkraftwerk“ In diesem Blog ). Zu einer offenen und substantiellen Auseinandersetzung über die Bebauung ließ sich die Gemeinde jedoch nicht zwingen. Sie hätte gegen die Fakten wohl auch nichts vorzubringen.
Hört man sich die Meinungen der Hohwachter zu den Absichten der Baupolitik an, so scheint der Glaube an eine Belebung des Tourismus, besonders der Nachsaison noch weitverbreitet zu sein, eben auch durch die geplante Bebauung der Küste am Dünenweg mit 40 Appartements . Dabei wird übersehen, dass es sich bei der beklagten Verkürzung der Aufenthalte und nur geringer Verlängerung der Saison um ein landesweites Problem handelt, dass sich den verschiedensten Maßnahmen als nicht zugänglich erwiesen hat. Kurmittelhäuser und Meerwasserwellenbäder wurden in ganz Schleswig-Holstein geschlossen oder werden zur Last der Gemeinden.
Ein einfacher Blick genügt: Vor den Hohwachter Neubauten stehen in Vor- und Nachsaison ebenso wenig Fahrzeuge, wie vor den übrigen Quartieren.
Eine wesentliche Frage stellen sich die Hohwachter nur hinter vorgehaltener Hand: Wer profitiert eigentlich ? Bauherren und Käufer aus Hohwacht sind jedenfalls nicht im Spiel, auch keine Handwerker!
Auch das erhoffte Zusammenspiel zwischen Meerblickappartement und „Gesundheitszentrum“ – zum Nutzen des Küsteninvestors – scheint nach aller Erfahrung, die anderenorts gemacht worden ist, weitgehend unbegründet ( siehe das wirklich schöne, inzwischen geschlossenen und abgerissene Meerwasserwellenbad Aqua Top mit weiteren Wellnesseinrichtungen in Travemünde unmittelbar neben neben dem Hotel Maritim ).
Auf die ätzende Salzlösung, die man aus der Tiefe pumpen will und die sich allenfalls in mehrfacher – unnatürlicher – Verdünnung für ein schmales Spektrum medizinischer Anwendungen eignet, darf man nun wirklich keine Erwartungen setzen.
Auch die Erwartung des kleinen Hotels, an das sich die Appartementhäuser anschließen sollen, könnte enttäuscht werden. Eine Golfmannschaft die sich dort einquartiert hatte, erschien zum Abendessen ganz unstandesgemäß an zwei aufeinander folgenden Tagen bei Fischi und hatte eine Menge unkonventionellen Spaß.
Zurück zum Ernst der Lage : Zum beginnenden Skandal werden die Grundstücksangelegenheiten durch die Preise, zu denen die Gemeinde ihre Grundstücke nach dem Motto „Trinkgelder für Tafelsilber“ verscherbelt hat. Besonders eindeutig erscheint die Bewertung des an den Investor verkauften Kurparks ( 5000 m²) für €10.-/m². Diese unmittelbar vor einem Hotel gelegene Fläche ist mit zahlreichen Strandkörben, in denen serviert wird und einem bewirtschafteten Zelt, sowie häufigen Barbeques völlig unterbewertet verkauft worden.
Ist der Weg nun frei für die Umgestaltung des Ortes von einem der letzten unprätentiösen Ostseebäder in Schleswig-Holstein zu einer synthetischen Feriendestination ?
Der Kreis Plön könnte sich den Vorwurf der Nichtigkeit des B-Plans und der Kaufverträge mit einer Beanstandung oder Aufhebung zu Eigen machen und manch weitere kommunalpolitische Ungereimtheit bereinigen. Anscheinend aber sträubt sich die Kreisverwaltung, die wohl auch seit 2010 in die Angelegenheit intensiv verwickelt ist und glaubt zudem, die Position der vermeintlichen Unschuld durchhalten zu können. Die Unterlagen der kommunalaufsichtlichen Tätigkeit wurden angefordert und sind entsprechend dem Öffentlichkeitsgebot des Informationszugangsgesetzes auch ausgeliefert worden. Allerdings handelt es sich im Umfang nur um einige Vermerke und Formalia. Eine eigehende rechtliche Prüfung der Nichtigkeitsargumente ist an keiner Stelle erkennbar, so dass ich mit einem zweiten Schreiben vom 23.10.17 meine rechtsanwaltlich bestätigten Ansichten verdeutlicht hatte. Inzwischen ist eine ziemlich freche Antwort ohne weiteres Eingehen auf die rechtliche Argumentation eingegangen,
Der nächste Schritt ist die Beschwerde bei der Kommunalaufsicht des Landes. Sollte der lange Arm interessierter Kreise bis in das Innenministerium reichen, bleiben im wesentlichen noch 2 Wege, die Normenkontrollklage und der Versuch, die Angelegenheit politisch an die große Glocke zu hängen.
Anfang Mai sind Kommunalwahlen. Man muss befürchten, dass ein eindeutiges gegen die desaströse Baupolitik gerichtetes Wahlergebnis, nur noch begrenzte Wirkung entfalten wird, weil alle Baugenehmigungen erteilt sein werden , die eine kommerzielle Ausbeutung des Ortes zu Lasten seines Ortsbildes voran treiben.
Die Uhr läuft für diesen kleinen ehemaligen Fischerort an der Ostsee und sein Bewohner !
Anhang: Fischis Sorgen um seine Existenz
Um Ausgleichflächen für mehr als 25 % der Besucherparkplätze zu gewinnen, die für das Bauvorhaben Dünenweg wegfallen, sollte auch ein seit vielen Jahren bestens eingeführter und frequentierter Fischimbiss das ihm gekündigte Pachtland am Rande des See-Parkplatzes räumen. Zugleich wurde der dem Inhaber gehörende angrenzende Minigolfplatz im Flächennutzungsplan und dann auch im B-Plan ohne Anhörung zur Parkplatzfläche umgewidmet.
Auf Fischis Dilemma und die fragwürdige Praktiken der Gemeinde haben wir bereits wegen des Beispielcharakters für die Gemeindepolitik im Leitartikel „Quo Vadis Hohwacht?“ hingewiesen. Dazu wurde sein Imbiss in der Begründung zu einem ersten B-Plan, der sein Grundstück plötzlich als Parkfläche auswies (!!), mit einer unangemessenen Abschätzigkeit als „ortsbildstörend“ diskreditiert, für ein sachlich zu haltendes offizielles Papier mehr als ungewöhnlich.
Zunächst war dem Fischimbiss das viele Jahre genutzte Pachtland am Rande des Großparkplatzes gekündigt und der Wunsch. einige Meter weiter auf Eigenland zu ziehen, schnöde verweigert worden. Schließlich und unter dem Druck von 3500 Unterschriften seiner Gäste hatte man ihm ein Baufenster von 100 m² inkl. Außensitzplätzen zugestanden. 240 m² hätten es sein müssen , um im bisherigen Umfang fortfahren und den Betrieb am Leben halten zu können und nach anwaltlicher Intervention wurden diese tatsächlich auch im B-Plan vorgesehen. Bei den Hohwachtern, die zur Unterschriftensammlung beigetragen hatten, ging der Riss mitunter quer durch die Familien. Die Eltern eines Gemeindvertreters, der für die Abschaffung des „ortsbildstörenden“ Objektes gestimmt hatte. stimmten für den Verbleib.
Nun steht der Imbiss seit Oktober 2016 still. Das Personal fand keine adäquate Beschäftigung und mittelfristig wird Fischi auch Konkurrenz erwachsen. Auf der letzten Sitzung des Tourismusausschusses im November 2016 war von der Einrichtung einer „Grünen Küche“ im unweit geplanten „Gesundheitszentrum“ die Rede. Dort werde man gesunde Ernährung propagieren und auch über die Rohstoffe aufklären. Dazu gehöre auch Fisch, so der CDU Fraktionsvorsitzende Lilienthal unter Zustimmung des Vorsitzenden der Freien Wählergemeinschaft, dem Fischer und Räucherfischhändler Kruse. Ein Schelm, der Böses dabei denkt..
Wie aber kam es überhaupt dazu, dass aus Fischis Minigolfplatz, also einem touristisch gewerblichen Grundstück durch eine Änderung des Flächenutzungsplans ein Parkplatz wurde. Nun ganz einfach: Durch Beschluss der GV vom 08.12.2014 zum derzeit gültigen FNP von 2015 sollte eine „Neuordnung der Flächen des ruhenden Verkehrs“ eingeleitet werden. Man hört die Nachtigall geradezu trampeln. Enteignungsgleich wurde aus dem Minigolfplatz eine Parkplatzfläche und zwar wie der BM mündlich auf einer späteren GV-Sitzung mitteilte, ausdrücklich als Kompensation zu jener Parkplatzfläche, die zugunsten des Dünenweg-Investors von der bestehenden Parkplatzfläche des großen Seeparkplatzes abgetrennt und verkauft worden war, um dem Küstenabstand wegen Natur- und Hochwasserschutz Rechnung zu tragen.
Der mit 11 Stimmen angenommenen Beschluss der Gemeindevertretung lautet: Die frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit mit der Erörterung über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung nach § 3 Abs. 1 BauGB soll durch zweiwöchige Auslegung des Planentwurfes in der Amtsverwaltung erfolgen.
Nun ja, im BauGB steht etwas von der öffentlichen Auslegung von Bauleitplänen über einen Monat.
Ob der Beschluss der Gemeindevertretung durch das Protokoll wenigstens so rechtzeitig bekannt gemacht wurde, dass der Grundbesitzer hätte reagieren können, muss nun die Kreisverwaltung klären, der schließlich die Genehmigung dieser Änderung des Flächennutzungsplans oblag.
Nun scheint es derzeit möglich, dass der unter massivem Druck für Fischis Imbiss geänderte B-Plan für sein eigenes Grundstück auch umgesetzt werden könnte. Jedenfalls wurde ein Bauantrag schon einmal eingereicht-. Hoffen wir das Beste!
Der Mensch denkt und der Bürgermeister lenkt – – und versagt dem Bauantrag die Zustimmung, weil die Dachneigung etwas geringer ist als 45 Grad und die Stellplätze nicht an der Stelle eingezeichnet sind, die der B-Plan vorschreibt. Zweifel seien auch an einer Vollmacht angebracht, mit der Fischis Tochter ihren Vater ermächtigt, den Bauantrag zu unterschreiben. Auch der Minigolfplatz, der seit über 50 Jahren besteht, soll wohl verschwinden, weil Fischi bei der letzten Auflage des B-Plans vergessen hat, Einspruch einzulegen.
Die Hoffnungen schwinden, den Imbiss Weihnachten wieder zu eröffnen. Derweil haben zwei seiner seit einem Jahr arbeitslosen Mitarbeiterinnen anderweitig Arbeit gefunden. Doch Fischi und seine Tochter Petra Weber geben nicht auf.